Warum der Frauentag so wichtig ist

Seit genau 100 Jahren wird am 8. März der Frauentag begangen. Er hat seine Wurzeln im Streit um das Frauenwahlrecht. Dass er noch immer gefeiert wird, zeugt davon, dass der Jahrtausende alte Kampf der Frauen um die Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft noch nicht beendet ist. Bis Ende der 1970er Jahre war in den Gesetzen der Bundesrepublik eine Rollenverteilung festgeschrieben, die heute archaisch wirkt: Mit der Heirat gab die Frau einen Teil ihrer Selbstbestimmung an den Ehemann ab. Und auch heute ist die Diskriminierung von Frauen in Deutschland noch nicht überwunden.

Es ist noch nicht so lange her, dass eine Ehefrau nur dann berufstätig sein durfte, wenn das "mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar" war – dies galt in der Bundesrepublik bis 1977. Erst der Haushalt und die Kinderversorgung – dann die Selbstverwirklichung und die finanzielle Unabhängigkeit. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Jahr 1958 oblag es allein dem Ehemann, das in die Ehe eingebrachte Vermögen seiner Gattin, deren Zinsen und ihr Gehalt zu verwalten. Als Ehefrau ein eigenes Konto zu eröffnen, gestattete erst diese Vorschrift.

Damals eine Errungenschaft: 1958 trat in der BRD das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Kraft, welche die Änderung des § 1356 im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmte. Die Einschränkung "soweit mit den ehelichen Pflichten vereinbar" hielt sich bis 1977.

Der Frauentag spielte in der BRD kaum eine Rolle, bis die autonome Frauenbewegung in den 1980ern begann, dieses Datum für ihre Ziele zu nutzen. Und im Osten? In der DDR-Verfassung wurde bereits im Oktober 1949 die Gleichberechtigung von Frau und Mann verankert und "alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, … aufgehoben." Die werktätige Frau war nicht nur geduldet, sondern erwünscht, denn in der ostdeutschen Volkswirtschaft wurde jede Hand und jeder Kopf gebraucht - und für das Haushaltseinkommen jede Mark. Die wenigsten Familien konnten es sich leisten, dass die Frau nicht dazu betrug.

Trotz theoretischer Gleichberechtigung blieb oft ein Großteil der Arbeiten rund um Haushalt und Kinder an den Frauen hängen. Als "zweite Schicht", die von vielen Ehefrauen und Müttern nachmittags und am Wochenende neben den beruflichen Verpflichtungen abgearbeitet wurde, bezeichnet dies Anna Kaminsky, Autorin des Buches "Frauen in der DDR". Und auch politisch gab es Grenzen: Während der 40 Jahre DDR-Geschichte blieben die Männer im Politbüro des ZK der SED stets unter ihresgleichen.

Begangen wurde der Frauentag in der DDR bis zuletzt mit großem Tamtam. Es handelte sich weniger um einen Kampftag für die Rechte der Frau (die ja offiziell garantiert wurden), eher um einen Feiertag für die gesellschaftlichen Errungenschaften der Frau und auch um ein Pendant zum westdeutschen Muttertag.

30 Jahre nach der Wiedervereinigung kann noch immer nicht von uneingeschränkter Geschlechtergleichheit gesprochen werden. Gerade dort, wo Frau und Mann als Paar unterschiedliche Einkommen haben, verfestigt sich noch immer die Rollenverteilung zwischen Karriere und Kochtopf. Das Problem: Zu oft ist es an der Frau, beruflich zurückzustecken.

Bei der Schulbildung überholen die Frauen inzwischen die Männer: Im Jahr 2020 hatten 24,7 % der Frauen und 25,9 % der Männer die allgemeine Hochschulreife. Im Abschlussjahrgang 2019 haben 23,1 % aller Schülerinnen und 17,2 % aller Schüler das Abitur abgelegt. Doch für junge erwachsene Frauen ist das Kind oder die Möglichkeit, Kinder zu bekommen, weiterhin Karrierehemmnis Nummer 1. Schon bei der Auswahl von Auszubildenden geht auch aus diesem Grund die Diskriminierung im Berufsleben los.

Frauen-Diskriminierung in Deutschland in Zahlen (aus 2015-2020):

  • Gender Pay Gap: Frauen verdienen im Durchschnitt 20 % weniger pro Arbeitsstunde als Männer.
  • Gender Pay Gap: 53 % weniger Rente bekommt eine Frau im Durchschnitt gegenüber Männern.
  • 48 % der Frauen arbeiten in Teilzeit, jedoch nur 11 % der Männer.
  • Nur 16,5 % aller Beschäftigten in Informatik-Berufen sind Frauen.
  • Nur 9,6 % der Vorstände in börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmen sind Frauen.
  • 36 % der leitenden Positionen im öffentlichen Dienst des Bundes sind mit Frauen besetzt.
  • 8 % der Mandatsträger/innen in den Kreistagen und Gemeinderäten; 30 % der Mitglieder der Landesparlamente und 31 % der Mitglieder des Deutschen Bundestages sind Frauen.
  • 2/3 aller pflegebedürftigen Personen in Privathaushalten werden hauptsächlich von einer Frau gepflegt.
  • 84,9 % der Opfer von schwerer Körperverletzung in der Partnerschaft sind Frauen.

Dass ein Mann heute ebenso wie eine Frau eine ausgedehnte Elternzeit beanspruchen kann, ist zwar gesetzlich verankertes Recht. Aber üblich ist es noch lange nicht, dass der Vater statt die Mutter eine längere Pause im Beruf einlegt, um sich dem Nachwuchs zu widmen. Solange unsere Gesellschaft in diesen tradierten Rollen denkt, hinken viele weibliche Karrieren männlichen weiter hinterher. Frauen opfern Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und öffentlichem Leben unbezahlter Pflege-, Erziehungs- und Hausarbeit – und tragen allein alle Nachteile: Abstriche bei der Selbstverwirklichung im Beruf, geringere Einkommen (Gender Pay Gap), niedrigere Rentenansprüche, finanzielle Abhängigkeit vom Partner. Deshalb ist eine private Altersvorsorge besonders für Frauen wichtig.

Auch unsere Sprache ist dazu geeignet, Frauen zu diskriminieren, und seit Jahren wird mühsam ein Kampf um eine geeignete gleichstellende Ausdrucksweise ausgefochten.

Respektvolle Sprache


Die Rollenverteilung zwischen Frau und Mann beeinflusst unsere Sprache bis heute. Gerade bei den Berufsbezeichnungen wird mit allzugroßer Selbstverständlichkeit der männliche Begriff verwendet. Das angefügte (m/w/d) stellt zumindest klar, dass sich als „Kfz-Mechatroniker“ auch Frauen angesprochen zu fühlen haben. Studien haben ergeben, dass sich Frauen von maskuliner Sprache ausgegrenzt sehen können.

Die Bemühungen um eine gendergerechte Ausdrucksweise hat einige Stilblüten getrieben. Ungewöhnliche und vielfältige Wortkonstruktionen können den Lesefluss stören, zunehmend auch mitgesprochene Binnen-I-Pausen wirken in den Nachrichten unglücklich. Wie macht man es denn nun richtig? Da gibt es mehrere offizielle Möglichkeiten:
 

  • Die Nennung beider geschlechtsspezifischer Formen ("Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen", "jede und jeder"). Dazu gehört auch die offizielle Kurzform mit Schrägstrich oder Klammern ("Mitarbeiter/innen", "Mitarbeiter(innen)", „Mitarbeiter(in)“). Nicht vom amtlichen Regelwerk abgedeckt sind übrigens Varianten mit Gender-Stern ("Mitarbeiter*innen"), Binde-I (MitarbeiterInnen), Gender-Gap ("Mitarbeiter_innen", "Mitarbeiter:innen").

  • Man kann sich einer geschlechtsneutralen Ausdrucksweise bedienen ("Person", "Mitglied") oder Substantivierung von Partizipien oder Adjektiven nutzen ("Mitarbeitende", "die Gewählten").
     

Mit seiner 28. Auflage, welche im August 2020 erschienen ist, geht erstmals der Duden (Rechtschreibung) auf den geschlechtergerechten Sprachgebrauch ein. Der Abschnitt ist auch online abrufbar.

Artikel 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes enthält den Satz: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Weiter heißt es: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Damit dürften überwiegend die Nachteile der Frauen gemeint sein. Solange das so ist, muss man den Internationalen Frauentag als ein Datum verstehen, welches uns ermahnt, den Kampf um die tatsächliche Gleichberechtigung von Frau und Mann in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik fortzusetzen.


Dieser Beitrag stammt aus unserem Frauentags-Newsletter März 2021. Hier können Sie sich für unseren Newsletter anmelden.