Drei starke Frauen berichten über ihren Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen, Erfahrungen mit Diskriminierung und persönliche Erfolge. Die Leipzigerin Dr. Gesine Märtens ist Staatssekretärin im Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung und setzt sich für Frauenrechte ein. Jennifer Oeser aus Markranstädt ist Polizeihauptmeisterin bei der Bundespolizei und Vizeweltmeisterin (2009/2011) im Siebenkampf. Edda Schmidt war Existenzgründerin und betreibt einen erfolgreichen Catering-Service in Leipzig ist Leiterin des hiesigen Kreisverbandes im Bundesverband Mittelständischer Wirtschaft (BVMW).
Starke Frauen
Jennifer Oeser
Siebenkämpferin - zweifache Vizeweltmeisterin
Ich bin ehemalige Leichtathletin und durfte als Teil der deutschen Nationalmannschaft tolle Erfolge als mehrfache Deutsche Meisterin, zweifache Vizeweltmeisterin und dreifache Olympiateilnehmerin feiern.
Schon mit 5 Jahren begann ich mit der Leichtathletik. Seither spüre ich eine Begeisterung, die mich weit getragen, mich einiges gelehrt und bis heute nicht mehr losgelassen hat. Ich musste mich in den verschiedensten Situationen wie Verletzungen, Leistungsschwankungen oder Niederlagen zurückkämpfen. Dazu gehört nicht nur Motivation, Ehrgeiz und Ausdauer, sondern auch eine große Portion Willenskraft. Es gilt, eine Leidenschaft zu entwickeln, um von Rückschlägen stärker denn je wiederzukommen. Kurz gesagt: Nicht auf das "Hinfallen", sondern auf das "(Wieder)-Aufstehen" kommt es an.
Diese Erkenntnis erlangte ich nicht zuletzt beim 800m-Lauf bei der Weltmeisterschaft 2009 in Berlin. Ich stürzte in der ersten Runde, verbrachte aber keine Sekunden mit dem Gedanken, liegen zu bleiben. Ich stand auf und lief das "Rennen meines Lebens". Am Ende wurde ich mit Silber belohnt. Wäre ich liegen geblieben, wäre es meine größte Niederlage gewesen.
Auch 2011 bei den Weltmeisterschaften in Daegu schien die Medaille nach dem ersten Siebenkampftag in alle Ferne gerückt. Ich lag als deutsche Medaillenhoffnung auf dem abgeschlagenen 10ten Rang. Ein herber Rückschlag, aber ich gab nicht auf und kämpfte bis zum Schluss. Belohnt wurde ich mit der Bronzemedaille, die einige Jahre später, aufgrund eines positiven Dopingbefundes der damaligen Siegerin, sogar noch versilbert wurde.
Diese beiden Schlüsselerlebnisse haben mir gezeigt, dass kein Weg an die Spitze geradlinig und ohne Stolpersteine verläuft. Diese gilt es zu "überspringen" oder zu "umlaufen": Dabei sollte man niemals aufgeben und den Glauben an sich und sein Können nicht verlieren.
Und trotzdem wurde mein Optimismus und mein ungebrochenes Kämpferherz noch einmal auf eine harte Probe gestellt: 2012 sollte "mein Jahr" werden. Ich wollte mir den großen Traum einer Olympia-Medaille erfüllen. Leider sah das meine Achillessehne anders und ließ die Teilnahme bei den Olympischen Spielen in London zu meiner größten Niederlage werden. Ich konnte aufgrund einer angerissenen Sehne den Wettkampf nicht beenden und musste zusehen, wie der Medaillenkampf ohne mich stattfand.
Ich wollte mit diesem negativen Erlebnis aber nicht meine sportliche Laufbahn beenden - so wollte ich die "große" Leichtathletik- Bühne nicht verlassen. Drei Jahre, zwei Achillessehnen-Operationen mit unzähligen Reha-Maßnahmen und nicht zuletzt einer Schwangerschaft und einem Trainerwechsel später, sollte mir bei den Weltmeisterschaften in Peking der Sprung zurück auf Wettkampfbühne gelingen.
Nur zehn Monate nach der Geburt meines Sohnes wurde ich mit Platz 10 bei der Weltmeisterschaft in Peking belohnt! Kaum einer hielt das im Vorfeld für möglich.
2016 sollte es für mich dann auch noch einen versöhnlichen Abschluss bei den Olympischen Spielen geben. Den ganz großen Traum von einer Medaille konnte ich mir nicht erfüllen, aber das war in diesem Moment nicht mehr so wichtig. Ich habe es nach diesen schwierigen Zeiten zurückgeschafft. Ich habe mein persönliches Ziel erreicht, einen Triumph über mich selbst, gegen alle Kritiker, und konnte in diesem Moment voller Zufriedenheit und Stolz die "große" Leichtathletik-Bühne verlassen.
All meine Erfahrungen gebe ich heute in Vorträgen weiter und möchte damit möglichst viele Menschen inspirieren und motivieren.
Stark, unabhängig und selbstständig zu sein, bedeutet nicht, alleine und auf sich selbstgestellt zu sein.
Ich hatte ein großes Team um mich herum - auch wenn ich es war, die im entscheidenden Moment alleine auf dem Platz um die Medaillen kämpfen musste. Ich hatte Menschen um mich herum, die mich genau auf diese Momente vorbereitet und mich auf meinem Weg unterstützt haben. Auch muss man erkennen oder sich eingestehen, wenn es im Team nicht (mehr) passt oder die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Ich habe im Laufe meiner Karriere insgesamt dreimal meinen Wohnort gewechselt und einen damit verbundenen Trainerwechsel vollzogen. Für mich war es immer wichtig, dass das "Gesamtpaket" passt, dass ich mich wohlfühle und glücklich bin. Nur so konnte ich voll leistungsfähig sein.
Neben meiner Tätigkeit als Keynote-Speakerin, bin ich Leichtathletik-Trainerin für Kinder und Jugendliche. Aktuell absolviere ich die Ausbildung zur A-Trainerin im Leistungssportbereich. Daneben führe ich als zweifache Mutter ein "erfolgreiches, kleines Familienunternehmen".
Dabei ist es nicht immer leicht, sich in einer von Männern dominierten Welt als Frau zu behaupten. Doch mich motiviert genau dies und ich lasse mich nicht davon abschrecken.
Für mich gab es ein prägendes Erlebnis, welches mir gezeigt hat, dass es Dinge gibt, die oft einfach hingenommen werden, weil sie schon immer so waren und nicht darüber gesprochen wird: Es gibt, wie leider in den meisten Sportarten, sehr große Unterschiede beim Verdienst und Prämiensystem zwischen Männern und Frauen. Ich habe genau diesen Missstand - zunächst intern im Verband – angesprochen und wurde zunächst sehr diskriminierend abgebügelt.
Ich habe dann bei einer öffentlichen Pressekonferenz zu einem internationalen Wettkampfmeeting auf die unterschiedlichen Prämien zwischen Männern und Frauen hingewiesen. Der Meeting-Direktor bedankte sich für den Hinweis und passte die Prämien unter der Aussage, dass die Frauen genauso begeistern und tolle Leistungen bringen, an.
Unsere Leistungen sind nicht weniger wert, weil wir einen Meter kürzer springen oder weil wir niemals so schnell laufen werden bzw. den Speer nicht soweit werfen können, wie es die Männer tun!
Kontakt unter: info@jenniferoeser.de
Dr. Gesine Märtens
Staatssekretärin im Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung
Ohne Frauen ist kein Staat zu machen. Der 8. März ist ein guter Tag, um unsere politische Teilhabe immer wieder einzufordern. Es lohnt sich. Am besten gelingt der Einstieg, wenn der Wunsch, sich politisch zu engagieren, mit einem ganz konkreten Anliegen verbunden ist.
Mein aktives Engagement entstand aus dem Wunsch, bessere Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen in Leipzig zu schaffen. Zu Beginn der 2010er-Jahre gab es zwar schon ein Gewaltschutzgesetz, aber die Finanzierung der Frauenhäuser war zu schlecht. Als Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen habe ich mich dann zuerst der Frauen- und Gleichstellungspolitik angenommen, ab 2014 auch im Leipziger Stadtrat. Gemeinsam mit zahlreichen Mitstreiterinnen und Mitstreitern haben wir viel erreicht.
Verbesserungen schaffen wir nur gemeinsam mit allen Geschlechtern. Von diesem Gedanken ist auch der Leipziger Volksbank Frauenlauf geprägt, den ich mit aus der Taufe gehoben habe, und mit dem seit 2010 das 1. Autonome Frauenhaus des Vereins Frauen für Frauen e.V. Leipzig unterstützt wird. Auf die Laufstrecke gehen nur Frauen, aber im Organisationsteam und an dem Tag arbeiten alle mit. Der Leipziger Volksbank Frauenlauf, an dem mittlerweile jedes Jahr über 2.000 Frauen teilnehmen, wäre nicht ohne Partner wie die Leipziger Volksbank oder den BSV AOK Leipzig e.V. und viele andere möglich. Damit ist er sowohl organisatorisch, als auch in der Durchführung ein echtes Gemeinschaftsprojekt.
Edda Schmidt
Ein Interview mit der erfolgreichen Leipziger Caterin und Leiterin des Kreisverbandes im Bundesverband Mittelständischer Wirtschaft (BVMW).
Wie haben Sie sich in der Männerwelt durchgesetzt?
"Ich hatte eigentlich nie einen Nachteil als Frau im Job. Im Gegenteil. Im Cateringgeschäft gibt es wenig Frauen. Da ist es eher von Vorteil, eine Frau zu sein, denn wir haben einen anderen Blick für die Dinge. In meiner Tätigkeit als Repräsentantin des BVMW in der Wirtschaftsregion Leipzig begibt man sich auf Augenhöhe zu Unternehmern. Auch da: Von Frau zu Frau ganz anders, offen und auch mal Schwäche zeigen. Als Frau kann man gut zuhören, das ist in dem Job besonders wichtig. Chefs haben oft im Job niemanden, mit dem sie sich neutral austauschen können. So passiert es öfter, dass zwei Stunden vergehen und ich selbst kaum geredet habe. Deshalb macht mir der Job beim Bundesverband mittelständische Wirtschaft auch schon seit 8 Jahren richtig Spaß. Man lernt viele Unternehmen und deren Belange kennen. Eine wirkliche Bereicherung für mich selbst."
Welche Steine sind Ihnen in den Weg gelegt worden?
"Der größte Stein ist die Episode "C". Ich hatte 2020 eine Auftragslage wie nie zuvor und dann kam alles anders. Seit einem Jahr muss ich mich ständig neu erfinden, das kostet sehr viel Kraft. Dazu kommt, dass ich keine Gelder bekomme, denn ich muss ja nicht schließen. Eine große Ungerechtigkeit in dieser Zeit."
Gab es Ungleichbehandlungen, die Sie erfahren haben?
"Nein, das habe ich nicht erlebt."
Warum haben Sie den Entschluss gefasst, selbstständig zu werden?
"Ich wollte selbst entscheiden, was ich tun und lassen kann. Meine Ideen verwirklichen und eben einfach machen können. Dass man dafür, wenn es schief geht, auch die Verantwortung trägt, ist klar."
Wie ist Familie mit Beruf, Selbstständigkeit und vor allem Erfolg vereinbar?
"Das muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er sich organisiert. Der Partner ist da natürlich besonders gefragt. Am besten er ist selbst Unternehmer, sonst wird es schwierig.
Oder man tauscht die Rollen, es liegt am Ende immer an zwei Menschen, was sie im Leben erreichen wollen und was sie glücklich macht. Eine Arbeit, die Spaß macht, ist keine Arbeit."
Haben Sie Tipps für Frauen, um sich unabhängig zu machen?
"Man sollte überlegen, was man von ganzem Herzen gerne macht. Womit kann man sich am besten identifizieren? Anders sein als andere, lieben was man tut. Dienstleistung ist ein harter Job, dies wird leider in Deutschland viel zu wenig anerkannt. Das wird sich meines Erachtens dank Corona ändern. Die Menschen wissen es jetzt wieder mehr zu schätzen, hoffentlich verlernen wir es nicht wieder. Und zwei Standbeine können nicht schaden!
Netzwerk war schon immer wichtig. Kontakte schaden dem, der sie nicht hat. Und gerade Frauennetzwerke funktionieren bestens. Auf Augenhöhe als Unternehmerin ohne Zickenkrieg.
Austausch und voneinander lernen, das sind die wichtigsten Kriterien. Dann bekommt man sehr schnell Unterstützung von Anderen. Der BVMW ist dabei von großer Bedeutung und hat gerade das Thema Frauen im Mittelstand in den Fokus gestellt. Dabei ist er der einzige Verband, der eine persönliche Betreuung bietet. Das hat sehr viel mit Vertrauen zu tun und ist am Ende mit Geld allein nicht zu bezahlen."
Haben Sie selbst etwas unternommen, um sich fürs Alters abzusichern?
"Ich habe ein private Rentenversicherung abgeschlossen."
Wie gehen Sie mental mit der Coronakrise um?
"In dieser schwierigen Zeit die Dinge annehmen wie sie sind und überlegen, welche Chancen es einem bietet. Gerade in Krisenzeiten entwickeln sich Dinge, an die man vorher gar nicht gedacht hat. Nichts ist umsonst. Aber man muss eben auch an sich glauben. Jeden Tag positive Gedanken im Kopf haben, es sich körperlich und geistig gut gehen lassen. Da kommt auch wieder das Thema Netzwerk zum Tragen. Ohne dem geht es nicht, gerade in Krisenzeiten."
Frau Schmidt, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Romy Hagemeister.
Edda Schmidt Catering: https://eddaschmidt.de/
Edda Schmidt Netzwerk: https://www.eddaschmidt-leipzig.de/
Dieser Beitrag stammt aus unserem Frauentags-Newsletter März 2021. Hier können Sie sich für unseren Newsletter anmelden.